Im Folgenden werden Aspekte der Bildanalyse zusammengestellt, welche die Untersuchung eines Bildes unterstützten.

Es gibt verschiedene anerkannte Methoden von Bildanalysen, die sich je nach Bilddisziplin oder Schule stark voneinander unterscheiden (Kunstgeschichte, Kulturwissenschaften, Kommunikationswissenschaften, Semiotik, Naturwissenschaften etc.). In allen Analysemethoden ist zumindest der Ablauf gleich: Zuerst erfolgt eine Beschreibung und danach eine Interpretation. Diese Auflistung versucht verschiedene Aspekte aufzuführen, die für den Ablauf einer Bildanalyse relevant sein könnten und als Stütze gelten. Die Aspekte werden hier als Vorschlag in vier Kategorien gegliedert, die einen Ablauf für eine Bildanalyse darstellen. Bevor das Bild mit diesem Ablauf jedoch analysiert wird, empfehle ich, stichwortartig die Eindrücke und Gedanken zu notieren, die bei der ersten persönlichen Bildkonfrontation stattfinden. Denn solch ein unbefangener Bildzugang ist sehr wertvoll und es gibt keinen zweiten "ersten Eindruck".


 1. Physische Deskritpion
 

 2. Bildimmanente Deskription
 

 3. Hintergrundinformation
 

 4. Interpretation
 

 

Obwohl die folgende Liste den Möglichkeiten entsprechend kurz gehalten ist, bleibt es je nach Bildgegenstand meist unmöglich (aber auch unnötig), auf alle aufgeführten Aspekte einzugehen. Zudem ist meiner Meinung nach eine vollständige und widerspruchsfreie Zusammenstellung solcher Aspekte nicht möglich, weshalb die Auflistung und Gliederung der Aspekte mit Vorsicht zu geniessen ist. Des Weiteren bleibt zu sagen, dass diese Liste zwar eine gute Hilfe sein kann, jedoch kein sicherer Weg zu einer einwandfreien Bildanalyse verspricht. Viel wichtiger als diese Stütze sind die Förderung der eigenen Neugier und eine gesunde Skepsis.

Eine Bildanalyse sollte wenn immer möglich anhand des Originals stattfinden. Reproduktionen und sogar Faksimile sind immer nur eine Annäherung an das Original. Trotzdem kann anhand von Reproduktionen bis zu einem gewissen Grad eine Bildanalyse statt finden. Wenn das Original nicht zugänglich ist, macht es für die Bildanalyse Sinn, wenigstens verschiedene Reproduktionen beizuziehen. So lassen sich grobe Verfälschungen ausschliessen, die bei einer Reproduktion auftreten können.

1. Physische Deskription

Mit den Aspekten der pyhsischen Beschreibung sind jene Aspekte gemeint, die nicht oder zumindest nur schwer anhand eines reproduzierten Bildes ausgemacht werden können. Die Aspekte der physischen Beschreibung nehmen stark Bezug auf das "Original" (bzw. jenes Bild, das untersucht werden soll, was selbstverständlich - falls bewusst so gewählt - auch eine Reporduktion sein kann).

  1. Grösse/ Format (z.B. 224 X 180 cm, Hochformat)
  2. Medium (z.B. Gemälde, Druck, Zeichnung, Bildschirm, Projektion)
  3. Materialität des Bildmittels (z.B. Kohle, Öl, Acryl, Gouache, Silbergelatineschicht, Blütenstaub, Licht)
  4. Materialität des Bildträgers (z.B. Putz, Papier, Leinwand, Glas, Kunststoff, Magnetband, binärer Code)
  5. Aktueller Erhaltungszustand (z.B. einwandfrei, verkratzt, vergilgt, zerrissen, geknickt)
  6. Aktueller Standort oder Publikationskontext (z.B. spezifische Zeitung, Park, Galerie, Privathaus, Museum, www, Plakatsäule)
  7. Technik (z.B. deckend oder lasierend gemalt, geklebt, gespachtelt, geprägt, gewoben, mit Polfilter fotografiert, mit Pinsel, Spachtel oder Körperteilen gemalt) - dieser Aspekt verlangt Expertenwissen und dessen Resultate basieren nicht selten auf Vermutungen, die dementsprechend vorsichtig zu handhaben sind

 

2. Bildimmanente Deskription

Die Aspekte der bildimmanenten Beschreibung können an einer (qualitativ guten) Reproduktion des zu untersuchenden Bildes ausgemacht werden. Dabei geht es um die "reine Bildinformation".

  1. Bildgattung (z.B. Ikone, Genrebild, Landschaftsbild, Stillleben, Portrait)
  2. Ikonizität (Grad der Wirklichkeit, Körperlichkeit, Realitätsnähe)
  3. Bildgebende Elemente des Bildraumes (im zeichentheoretischen Sinn das "Denotat" = offensichtlich nennbar Dargestelltes z.B. zwei weibliche Figuren sitzend, mit Lendenschurz bedeckter Mann an einem Holzkreuz, die Farbe Rot, Landschaft im Sonnenuntergang)
  4. Bildraumaufbau (Perspektive, Vorder-, Mittel- und Hintergrund, Konstellation der Bildraumelemente)
  5. Bildgebende Elemente der Bildfläche (Farb- und Formelemente: Farbton, Sättigung, Helligkeit, Farbrelationen, -kontraste, -verläufe, Textur, Duktus, Punkt-Linie-Fläche)
  6. Bildflächenkomposition (z.B. Einteilung der gesamten Bildfläche mit Horizontalen, Diagonalen, Schrägen, geometrischen Formen, Rhythmen, Symmetrien, Affinitäten, Bildaus- bzw. -anschnitt)

 

3. Hintergrundinformation

Die Beschreibungen der sichtbaren und wahrnehmbaren Aspekte eines Bildes sind bereits wertvolle Angaben für eine intensive Untersuchung zur Bildinterpretation. Um die Analyse stichfest zu machen, werden allerdings noch Hintergrundinformationen benötigt.

  1. Aktuelle und historische Titel oder Bezeichnungen
  2. Autorenschaft, deren Biografien und Anliegen
  3. Vorlage/Sujet (z.B. spezifische literarische Quellen, Bildzitate, abgebildete Orte, Personen, Gegenstände)
  4. Auftraggeberschaft und Auftragsbeschreibung
  5. Aktuelle BesitzerInnen und Provenienzen (Herkunft)
  6. Entstehungszeit, -kontext und -geschichte
  7. Restaurations- und Manipulationsgeschichte
  8. Publikations- und Reproduktionsgeschichte
  9. Kommunikations-, Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte
  10. Geschichte der Exegesen (Auslegungen) wie Deutungsversuch, Stil- und Epochenzuordnungen
  11. Historische, kulturelle, gesellschaftliche, politische, persönliche, materielle Relevanz/ Funktion

 

4. Interpretation

Die Interpretation stellt das Ziel einer Bildanalyse dar. Hierfür werden alle zuvor erarbeiteten Resultate mit weiteren verknüpft und zu weiteren Aussagen gewertet. 

  1. Wirkung (Adressatendifferenziert)
  2. Ikonografie (Begriff der Kunstgeschichte)/ Konnotat (Begriff der Zeichentheorie) = gemeint ist damit die indirekte, hintergründige Bedeutung einzelner Elemente, die durch Spezialwissen z.B. über Literaturquellen oder Kulturverständnis entschlüsselt werden können (z.B. Schlüssel als Attribut für Petrus, Weiss als Farbsymbol für Unschuld, weibliche Figur mit Waage und verbundenen Augen als Allegorie für Gerechtigkeit) - dieser Aspekt gilt aus kunsthistorischer Sicht noch als Beschreibung, wobei Expertenwissen vorausgesetzt wird, weshalb dies hier bei der Interpretation aufgelistet wird
  3. Ikonologie (Begriff der Kunstgeschichte) = Deutung der symbolischen Form des Werkes über sich selbst hinaus im Vergleich zu anderen Werken, Zeiten oder Kulturen
  4. Persönlicher Zugang (dieser ist zum allgemeingültigen Zugang klar zu differenzieren)
  5. Verknüpfung aller Aspekte zu einer Kernaussage (z.B. Unterdrückung der Frau in der westlichen Kultur, Glorifizierung eines bestimmten Machthabers, Aktivierung der Wahrnehmung durch optische Irritation, memento mori als Verweis auf die Vergänglichkeit)