Vertiefung im Zeichnerischen und Malerischen.

Lehrerbeispiel von drei unabhängigen, protokollierten Situationen:
Situation 1: Mann und Frau am Bahngleis wartend
Situation 2: Frau und Mann am Bahnhofplatz sitzend
Situation 3: Zwei Männer im Garten des Bahnhofbuffets
bahnsteig_1a
bahnhofplatz_1
bahnhofbuffet_1
Zwei Geschäftsleute setzen sich dazu
 
 
bahnsteig_1b
 
 

Nützliche Vorkenntnisse und Querverweise

  • Theorie zur Funktion des Bildes
  • Bildbesprechungen Skizzen: Alberto Giacometti, Joseph Beuys
  • Bildbesprechungen Drucke und Malerei: Felix Vallotton (insb. seine Holzschnitte) und allgemein die Malarbeiten der Nabiskünstler

Ziele

  • Im ersten Auftrag üben Sie die sehr reduzierte, jedoch subtile und effiziente Möglichkeit komplexe Situationen mit Wort und Bild in Bleistift zu protokollieren.
  • Im zweiten Auftrag verbessern Sie Ihr räumliches Denken. Es entsteht eine Sensibilisierung mit dem Umgang mit Figur und Raum und den Bildkräften von Form- und Farbkomposition.
  • Zeichnen und Malen als Prozess erfahren.

Einleitung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten eine Situation zu protokollieren (festzuhalten, aufzunehmen, zu erfassen, abzuspeichern...). Unter anderem stellen sich das Bild- sowie das Wortprotokoll zur Verfügung. Bei einem Vergleich stellt man fest, dass einmal das Bild und ein andermal das Wort präzisere Protokollwerte liefert. Wieso also nicht beide Möglichkeiten kombinieren?

Das Protokollieren einer komplexen Situation, wie z.B. die Einfahrt eines Zuges und das Aussteigen der Passagiere, braucht etwas Übung und muss speditiv ablaufen. Aber genau so eine Herausforderung stellt auch das Observieren z.B. einer wartenden Person. Es fordert grosse Konzentration, neugierig die Haltung, jede kleinste Bewegung und Eigenarten aufzunehmen. Nicht zuletzt dann, wenn man auch die eigene Reaktion und Verhalten auf die zu beobachtende Situation festzuhalten versucht.

Geht es beim Protokollieren tatsächlich nur um den Informationsgehalt (und nicht z.B. um den Genuss oder die Vermittlung der Beobachtung), darf keine Zeit verloren gehen. Bild und Wort werden nicht geschönt. Es entstehen skizzenhafte Zeichnungen und stichwortartige Begriffe, die wohl kaum für die Kommunikation nach aussen, d.h. an eine andere Person, geeignet sind.

Hierfür muss das Protokoll in eine verständliche Form gebracht bzw. ästhetisiert werden. D.h. es muss (mit den gestalterischen Mitteln) eine klare Aussage formuliert werden, welche für weitere Rezipienten lesbar ist. Dabei geht die Informationsdichte verloren, allerdings steigert sich die Prägnanz und Verständlichkeit, was für die Vermittlung unabdingbar ist.

1. Auftrag Protokoll

Sammeln Sie drei Situationsprotokolle. Wählen Sie Situationen mit Menschen aus, die Sie auf das Äusserste reizen. Fördern Sie Ihre Neugier und werden Sie zum Informationsjäger. Nutzen Sie die Möglichkeiten von Wort (stichwortartiger Text) und Bild (skizzenhafte Zeichnung). Notieren und zeichnen Sie mit Bleistift auf Papier zu jeder Situation innert kürzester Zeit (10'-15') jede wahrnehmbare Information. Ihr Bleistift sollte wie ein „Seismograph Ihrer Wahrnehmung" eingesetzt werden und jede „visuelle Erschütterung" aufzeichnen.

Wichtiger Hinweis: Das Protokoll besitzt keinen Selbstzweck und soll nicht für weitere Rezipienten ästhetisiert werden, sondern sammeln Sie möglichst viele Information, so als ob Sie in einem Jahr anhand Ihres Protokolls die Situation auf sachlicher und emotionaler Ebene wieder rekonstruieren müssten. Rekonstruiert und ästhetisiert wird erst im weiteren Verlauf des Auftrages.

2. Auftrag lineare Rekonstruktion

In diesem Auftrag sollen eine der drei protokollierten Situationen ausgewählt und in linearer Ausarbeitung mit Bleistift eine prägnante Aussage formuliert werden. Ausgehend vom ausgewählten Situationsprotokoll soll in diesem Schritt eine geeignete (räumliche) Perspektive gesucht bzw. entwickelt werden. Wie eine virtuelle Kamera sucht man eine adäquate Perspektive im Raum. Es gilt auf Komposition des Raumes und der Bildfläche zu achten. Aufgepasst: Diese Aspekte der Perspektive und Formkomposition tragen wesentlich zur Aussage des Bildes bei! Suchen Sie hierzu verschiedene Lösungen und fertigen Sie mehrere Skizzen an. Diskutieren Sie diese!

 Lehrerbeispiel der linearen Rekonstruktionen:
Situation 1
 Situation 2
 Situation 3
bahnsteig_2a
bahnhofplatz_2a
bahnhofbuffet_2
(Version 2)
(Version 2)
 
bahnsteig_2c
bahnhofplatz_2b
 

 

3. Auftrag farbige Rekonstruktion

Wählen Sie nun die geeignetste Skizze aus und versuchen Sie die Aussage mit Farbe zu verstärken. Denn die Farbkomposition bildet ein weiterer wichtiger Faktor für die Aussage des Bildes. Arbeiten Sie grossflächig und abstrahieren Sie Details zu einfachen Farbflächen. Fertigen Sie auch hiervon mehrere Versionen an und diskutieren Sie diese!

Lehrerbeispiel der farbigen Ausarbeitungen:
Situation 1:
Situation 2:
Situation 3:
p8301647
p8301651
p8301653
(2. Version)
 
 
p8301649
 
 

 

 

Material/Vorgabe

Gearbeitet wird im ersten Teil mit Bleistift auf Skizzenpapier. Verzichten Sie auf einen Radiergummi. Nutzten Sie den Radiergummi erst im zweiten Teil. Im dritten Teil arbeiten Sie mit Gouache auf Papier. Eine Vorzeichnung und das manuelle und automatische Kopieren ist als Arbeitshilfe (teils) sinnvoll. Weitere Vorgaben wurden bereits im Auftrag erwähnt. 

Kriterien

Auftrag 1: Es wird eine hohe Informationsdichte erwartet. Bleistift und Papier sollen differenziert eingesetzt werden. Wort und Bild sollen sich ergänzen und nicht redundant sein.

Auftrag 2: Korrekte Formen und Proportionen der Situationselemente (z.B. Figuren) Sinnvolle Auswahl von Perspektive und Komposition von Bildraum und Bildfläche für eine prägnante Aussage. Differenzierter Einsatz von Bleistift. Reflexionsfähigkeit.

Auftrag 3: Prägnanz der Aussage durch die Farbkomposition. Reflexionsfähigkeit.

Allgemein: Experimentierfreudigkeit. Strukturiertes Vorgehen. 

Anmerkungen

  • Ästhetik meint hier die Lehre von den Gesetzmässigkeiten und Grundlagen des Schönen und Harmonischen in Natur und Kunst
  • Ästhetisieren ist das einseitige formen und beurteilen nach den Gesetzen der Ästhetik
  • Redundant bezeichnet hier das mehrfach Vorhandene wie auch das Überflüssige