In diesem Auftrag versuchen wir mit Bleistift eine Menschengruppe in einer Extremsituation darzustellen, indem wir die formalen Möglichkeiten ausloten. Um dies voll und ganz auszureizen, verzichten wir auf den direkt sichtbaren Grund der Extremsituation, ja wir vertuschen ihn sogar. Der Grund für die Extremsituation bleibt somit undefiniert. Und dennoch zeigt das Bild eine Extremsituation. (3GF)
Desastres de la Guerra, nº 41: Escapan entre las Ilmas (Flucht durch das Feuer), von Francisco de Goya, 1810-1814 (Repro: gemeinfrei über wm)
Einleitung
Bilder von Menschen in Extremsituationen berühren uns. Unsere westliche Bildwelt ist voll von solchen Darstellungen. In der Pressefotografie und Tagesschau, in der Werbung und insbesondere in Spielfilmen und Computerspielen werden Bilder mit Menschen in Situationen gezeigt, die weit über das Gewöhnliche, über den Alltag hinausgehen. Beim Aufschlagen einer Zeitung erkennen wir Extremsituationen meist bevor wir überhaupt verstehen, um was das Bild inhaltlich handelt. Dies funktioniert unmittelbar über die formalen Eigenschaften, wie Körperhaltung, Licht und Komposition des Bildes. Dies sind formale Bildeigenschaften, welche unsere Kultur- und Kunstgeschichte über Jahrhunderte entwickelt, gepflegt und erneuert hat (siehe Bildbeispiele). Die Bilder unserer heutigen Zeit sind das Resultat einer langen Bildtradition, welche sich auch in der Darstellungen solcher Extremsituationen niederschlägt.
Ziele
- Reflexion von Bildern, die Extremsituationen zeigen
- Ausloten von figürlichen Darstellungen in Haltung, Ansicht und Interaktion
- Sensibiliserung für Lichtkonzepte, Kompositionen und Texturen
Voraussetzungen/ Vorübungen
- Bildbetrachtung von Kunst, Spielfilm, Fotojournalismus etc.
- Proportionen und Darstellungsschemen von Figuren sind bekannt, Figuren können ohne Vorlage frei entwickelt, in verschiedenen Haltungen und aus verschiedenen Ansichten dargestellt werden
- Einfache Objekte können mit Licht- und Schattenmodellierung dargestellt werden
- Erste Textur-Experimente mit Bleistiftschraffuren haben stattgefunden (Variation und Wirkung)
Auftrag
In einer Bleistiftzeichnung sollen vier bis neun Figuren in einer Extremsituation dargestellt werden. Die Situation darf extrem positiv, wie freudig, euphorisch oder negativ, wie beängstigend, schockartig, aggressiv oder dergleichen sein. Allerdings darf nicht ersichtlich sein, was diese extreme Situation auslöst. Die Situation bleibt somit undefiniert und in dieser Darstellung unaufgeklärt. Die Extremsituation manifestiert sich lediglich durch formale Bildaspekte wie Körperhaltungen, Perspektive, Lichtgebung, Komposition und Textur, was in den Möglichkeiten der Bleistiftzeichnung liegt.
- extrem: radikal, übertrieben, ungewöhnlich, äusserst...
- undefiniert: inhaltlich unbestimmt, nicht festgelegt
Tipps: Stellen Sie sich als Ausgangslage eine konkrete, aussergewöhnliche Situation wie eine Rauferei oder Handgemenge vor, die Sie variieren und im Anschluss vertuschen. Oder eine andere Möglchkeit: Beginnen Sie mit der Darstellungen von Figuren in extremen Körperhaltungen, woraus sich dann spielerisch im Prozess eine Bildidee oder ein Konzept entwickeln kann. Arbeiten Sie mit allen formalen Aspekten im Extrembereich, so z.B. mit Vorder-, Mittel- und Hintergrund, mit extremen Anschnitten der Figuren am Bildrand und asymmetrischen Verteilung der Figuren in der Bildfläche, krassem Helldunkel-Kontrast, dramatischer Lichtsituation etc. Für die Erarbeitung der Textur dürfen Sie es auch wagen, sich in einen adäquaten, extremen Zustand hineinzuversetzen und im Experiment auf einem Testblatt schauen, was dabei herauskommt. Vielleicht lässt sich daraus etwas machen?
Kriterien
- Die Figuren zeigen extreme Haltungen, Interaktionen, Perspektiven - sind aber in der Darstellung plausibel (keine surreale Verzerrungen)
- Die Lichtgebung ist raumbildend (Lichtmodulation, Eigenschatten, Schlagschatten, Raumlicht etc.), inhaltsbildend ("ins Licht rücken") und ebenfalls plausibel
- Die Komposition von Bildfläche und Bildraum unterstützt die Dramatik
- Die Textur (hier mittels Bleistiftschraffur) verstärkt den Ausdruck des Bildinhaltes
Material
- Bleistift und Zeichenpapier
- Zielformat in A3, darf aus Gestaltungsgründen beschnitten werden, jedoch nicht kleiner als A4
- Oder grösser zwischen A2 und A3 mit einem groberen Zeichenstifft (Kreide, Pastell, Kohle...)
- Literaturhinweis: Menschen in Extremsituationen (S. 290). In Etschmann, Hahne, Tlusty: Kunst im Überblick - Stile, Künstler, Werke (Gebundene Ausgabe).