In diesem zweistündigen Werkstattunterricht werden die Gestaltungsmittel der Fotografie geübt. Damit alle Gestaltungsmittel ausgeschöpft und bestmöglich kontrolliert werden können, ist eine Spiegelreflexkamera einer Kompaktkamera vorzuziehen. Mit einer Kompaktkamera muss improvisiert werden. Die Werkstattübungen sind in 5 Themen gegliedert. Im Anschluss zu den Übungen kann eine Diskussion statt finden. (5-6SF)
1. Komposition
Ausgangslage: 1 Spielzeugfigur auf dem Tisch, alle Kameraeinstellungen auf "Automatisch" (Werkeinstellung)
1. Knipsen. Erkenntnis: Bild wirkt uninteressant und hat wenig Aussagekraft. |
2. Mit der Bildhöhe spielen (Vogel-, Normal- und Froschperspektive). |
Erfahrung: Fotos von Laien, wie z.B. in Familienalben, weisen oft keine bedachte Bildkomposition auf - die Perspektive entspricht der Augenhöhe des Fotografen und die Sujets sind meist zentral aufgenommen. Mit einer bewussten Gestaltung der Perspektive und des Bildausschnittes lässt sich jedoch die Anziehungskraft eines Bildes erhöhen und eine Aussage erstellen.
2. Licht
Ausgangslage: Abgedunkelter Raum, 1 Spielzeugfigur und 1 Kerze auf dem Tisch, alle Kameraeinstellungen auf "Automatisch" (Werkeinstellung)
1. Knipsen. Der automatische Blitz wird ausgelöst. Erkenntnis: Szene wirkt nicht authentisch. |
2. Damit die Szene nun authentischer wirkt, soll der Blitz unterdrückt werden. Erkenntnis: Unerwünschte Verwacklungsunschärfe. |
4. Spiel mit Belichtungskorrektur (+5 +2 +1 0 -1 -2 -5). |
Erfahrung: Manchmal ist es sinnvoll, den automatischen Blitz zu unterdrücken, damit spezielle Lichtsituationen authentisch übertragen werden (bekannte Beispiele: Geburtstagstorte bei abgedunkeltem Raum, Lagerfeueraufnahmen etc.). Um Verwacklungsunschärfen bei niedrigem Lichtstand zu verhindern, müssen die Kamera stabilisiert und die Lichtempfindlichkeit erhöht werden (Punkt 2). Danach kann mit dem Licht gestaltet werden.
Zusatzbemerkung: Manchmal ist es aber auch sinnvoll, bei starkem Licht auf den automatischen Blitz zu verzichten und den Blitz zu erzwingen. Damit können z.B. harte Schatten im Gesicht reduziert, das Gesicht im Schatten des Sonnenhutes aufgehelt oder Figuren und Objekte im Gegenlicht mit guten Resultaten fotografiert werden.
3. Farbe (Weissabgleich)
Ausgangslage: 1 Spielzeugfigur auf dem Tisch, alle Kameraeinstellungen auf "Automatisch" (Werkeinstellung), 1 weisses Blatt
Erfahrung: Wenn eine Fotografie einen Farbstich aufweist, besteht wahrscheinlich ein Problem mit dem Weissabgleich - was insbesondere bei extremen Lichtsituationen der Fall sein kann (z.B. Fotos im Schnee, bestimmte Neonröhren oder Mischlicht). Hier ist es sinnvoll, einen vordefinierten und bei Mischlicht einen manuellen Weissabgleich zu betätigen.
Zusatzbemerkung: Eigentlich entsprechen die Farbstiche dem physikalischen Wert der Aufnahme. Unsere menschliche Wahrnehmung ist jedoch flexibel und nimmt ein weisses Blatt in verschiedensten Lichtsituationen als weiss wahr. Mit der Fotografie versuchen wir üblicherweise die menschliche Wahrnehmung zu imitieren, weshalb der physikalische Wert korrigiert wird.
4. Tiefenschärfe
Ausgangslage: 2 Spielzeugfiguren auf dem Tisch, erste Figur vorne links, zweite Figur weit hinten und leicht nach rechts versetzt, alle Kameraeinstellungen auf "Automatisch" (Werkeinstellung)
1. Knipsen. Erkenntnis: Gewisse Bereiche sind unscharf. Schwierig zu kontrollieren. |
Erfahrung: Die optischen System der Kamera verursachen eine Tiefenschärfe. Dabei wird nur ein bestimmter Bereich scharf abgebildet. Näher liegende und weiter entfernte Bereiche zeigen eine Unschärfe. Je nach Einstellung kommt die Tiefenschärfe stärker bis gar nicht zum tragen. Der Tiefenschärfe-Effekt kann verstärkt werden, wenn eine grosse Brennweite gewählt wird, wenn die Figur 2 zur Kamera relativ weit von Figur 1 entfernt ist und wenn eine grosse Blende gewählt wird. Die Tiefenschärfe ist nicht negativ zu bewerten, sondern kann als Gestaltungsmittel benutzt werden, um ein Sujet aus seinem Umfeld hervorzuheben (z.B. Portrait).
Zusatzbemerkung: Soll auf den Effekt der Tiefenschärfe möglichst verzichtet werden (z.B. bei der Landschaftsfotografie), müssen die drei genannten Aspekte umgekehrt gewählt werden: kurze Brennweite (Weitwinkel), kleine Blende, nichts Nahes zur Kamera.
5. Bewegungsunschärfe
Ausgangslage: Rampe mit grossen Spielzeugfahrzeuge (ca. 30 cm) oder etwas Ähnliches
1. Knipsen. Erkenntnis: Gewisse Bereiche sind unscharf: wirkt unkontrolliert. Oder alles ist in etwa scharf: wirkt statisch. |
2. Versuch den Unschärfe-Effekt zu verstärken und kontrolliert zu nutzen:
Erkenntnis: Objekt scharf, Umgebung unscharf. |
3. Dasselbe nun mit statischer Kamera. Erkenntnis: Objekt unscharf, Umgebung scharf. |
Erfahrung: Die Bewegungsunschärfe kann als Gestaltungsmittel genutzt werden, um Dynamik in einem Foto (Standbild) zu vermitteln. Je nach dem, ob die Kamera mit bewegt wird oder statisch bleibt, wird von einem anderen Standpunkt erzählt. Einmal scheint man sich mit dem Objekt mitzubewegen, ein andermal scheint das Objekt die Szene zu durchqueren.
Diskussion
Diese Gestaltungsmittel der Fotografie können als Sprache verstanden werden, da hiermit etwas erzählt werden kann. Ein Amateur oder Berufsfotograf, der den Einsatz der Gestaltungsmittel beherrscht, kann erzählen was er will. Er kann hervorheben, verstärken und sogar kreieren. Er erschafft Bilder, die eine Geschichte erzählen. Diese Bilder stehen für sich alleine, sie benötigen keine zusätzliche Erklärungen.
Ein Knipser ist mit den Gestaltungsmittel der Fotografie weniger vertraut. Er hat auch andere Interessen: Der Knipser wünscht vorerst ein scharfes und sichtbares Bild, das ihm als Erinnerungsstütze hilft.
Jetzt stellt sich die Frage: Wer liefert nun tatsächlich die authentischeren Bilder? Der Amateur bzw. Berufsfotograf oder der Knipser?